7. April 2013
Dieses Evangelium hört sich wie eine märchenhafte Erzählung an, mit wunderbaren Ereignissen. Aber wir dürfen nicht vergessen: Die Bibel gibt uns keine historischen Beschreibungen von Ereignissen, sondern – mit Hilfe von Erzählungen – Glaubenszeugnisse. So betrachtet sagt uns dieses Evangelium auch einiges über den Glauben der Freunde Jesu. Ich möchte einige Beispiele erwähnen.
Am Abend des ersten Tages der Woche, also am Sonntagabend, treffen sich die Jünger. In der Frühe haben – laut dem Johannesevangelium - Maria von Magdala, Petrus und der Jünger, den Jesus liebte, das leere Grab gefunden. Maria hat Jesus im Gärtner erkannt. Jetzt sind sie alle beisammen. Sie haben sich also einiges zu erzählen. Und da machen alle die Erfahrung: Jesus lebt, ist mitten unter ihnen. Nur Thomas ist nicht dabei. Acht Tage später – also wieder am Sonntag – wiederholt sich das ganze Geschehen, diesmal mit Thomas. Hier bahnt sich schon eine Gewohnheit, eine Tradition, an: Diese Christen treffen sich immer wieder am Sonntag, am „Tag des Herrn“, am Tag der Auferstehung … so wie wir es, zweitausend Jahre später, auch am Sonntag machen. Ist das nicht auch für uns, wenn wir diese Sonntagstreffen ganz bewusst erleben, eine Begegnung mit Jesus? Ist er dann nicht in unserer Mitte?
Damals geschah das in einer spannungsgeladenen Atmosphäre: Hinter verschlossenen Türen. Es war noch gefährlich sich zu diesem gekreuzigten Jesus zu bekennen, zu diesem Rebellen, zu diesem Gotteslästerer, der jetzt endlich seine verdiente Strafe bekommen hatte.
Trotz der verschlossenen Türen war er mitten unter ihnen. Hier wird etwas ganz Wichtiges angedeutet: Jesus ist nicht einfach in sein vorheriges Leben zurückgekehrt. Er ist anders geworden. Er ist kein Geist, kein Gespenst, denn sie sehen seine Wundmale, er hat einen Körper, aber nicht diesen physischen, denn mit einem physischen Körper kann man nicht durch verschlossene Türen gehen. Aber es ist der ganze Jesus, den sie vorher gekannt haben, der gekreuzigt wurde, verwandelt in eine neue Existenzweise.
Seine ersten Worte zu ihnen sind: „Friede sei mit euch!“ Er sagt es sogar zwei Mal zu seinen Freunden, die so eklatant versagt haben bei seiner Gefangennahme und Hinrichtung. Alle sind geflüchtet. Petrus hat ihn sogar verleugnet. Sie haben ihn im Stich gelassen. Jesus macht ihnen keine Vorwürfe. Er bietet ihnen seinen versöhnenden Frieden an. Jesus bietet ihnen einen versöhnten Neuanfang ihrer Beziehung an. Trotz ihrer menschlichen Unzulänglichkeit und Feigheit schenkt Jesus ihnen erneut sein Vertrauen und die frühere Verbundenheit. Es ist alles wieder gut. Zwischen uns ist Friede! Jesus handelt wie dieser Gott, von dem er immer gesprochen hat: Ein Gott, der dem Menschen seine Vergangenheit nicht nachrechnet, der keine mühsame, wenn überhaupt mögliche Wiedergut-machung für vergangenes Versagen, frühere Schuld verlangt, sondern bedingungslosen Neuanfang schenkt.
Jesus stellt das unter Beweis, indem er sagt: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich nun euch.“ Jesus vertraut diesen ängstlichen, versagenden und unzulänglichen Menschen sein Lebenswerk an! Er mutet ihnen zu, dass sie trotzdem dazu fähig sind, die Geschichte vom Reich Gottes weiterzuführen.
Jesus stärkt sie dazu. Er haucht sie an: „Empfangt den Hl. Geist“. So wie Gott bei der Erschaffung des Menschen ihm den Lebensatem einhaucht, das Leben selbst. Gott gibt etwas von sich selbst, von seinem Wesen, in den Menschen hinein. Gott ist in uns und bewegt uns mit seiner Lebenskraft. Deswegen sind wir, die vergänglichen, schwachen, oft versagenden Menschen trotzdem fähig uns für Gottes Reich einzusetzen. Sein Geist, seine Kraft, er selbst wirkt in uns.
Und schließlich: Die Freunde von Jesus waren keine naiven, gutgläubigen Menschen. Das zeigt z.B. Thomas, der nicht so ohne weiteres glaubt, dass Jesus lebt – nur, weil die anderen es sagen. Er hinterfragt, er ist kritisch. Und Jesus wirft ihm das nicht vor, sondern lässt ihn die gleiche Erfahrung machen, wie die anderen, mit der Einladung an ihn zu glauben und auch mit der Einladung an die vielen Generationen und an uns, die wir so viele Jahre später leben, zu glauben - obwohl wir nicht das sehen, was seine Freunde gesehen haben.
Spüren wir, wie diese Erzählung über die Erscheinung Jesu an einem Sonntagabend an erster Stelle ein Glaubenszeugnis ist und damit auch eine Einladung an uns, uns für Jesus einzusetzen und uns immer wieder dazu die Kraft zu holen in unseren sonntäglichen Treffen mit Jesus, wo er in unserer Mitte ist?